PÄDAGOGIK
Unsere Pädagogik orientiert sich
an den Richtkräften der kindlichen Entwicklung.
Der Lehrplan stärkt die gesunde Reifung der Kinder.
Diese Darstellung zeigt in wenigen Strichen ein Bild der Entwicklung des Kindes von der Geburt bis zur Mündigkeit. Charakteristische Abschnitte und wesentliche Übergänge werden hervorgehoben.
Der Lehrplan ist ein fein abgestimmter Organismus, der versucht, im Vermitteln von jeweils spezifischen Inhalten und Fähigkeiten die kindliche Entwicklung in jedem Entwicklungsschritt positiv zu stützen.
Von der Geborgenheit zur Selbständigkeit.
Mit der beginnenden Schulzeit sollte die Selbständigkeit bewusst gefördert werden. Das Kind darf immer weitere Wege selbständig unternehmen. Intensiver wird die Suche nach Selbstbestimmung und eigenständiger Urteilsbildung dann in der Pubertät. Gerade dann ist es wichtig, dass das Gespräch mit den Erwachsenen nicht abreisst. Immer noch müssen Grenzen gesetzt werden.
Hülle, Rhythmus und Rituale bilden den Boden, auf dem Phantasie, Improvisationsfähigkeit und Eigenverantwortung in gesunder Weise wachsen können. Mangelnde Hülle in der Kindheit, besonders in der frühen Kindheit, zwingt die jungen Menschen in eine verfrühte Selbständigkeit, die oftmals kraftlos und initiativlos bleibt und leicht in ungesunde Bindungen führt.
Die Entwicklungsstufen und ihre zentralen Aufgaben
Wir unterscheiden 7 Entwicklungsstufen, auf denen das Kind neuen, inneren und äusseren Herausforderungen begegnet. Dabei entfaltet der junge Mensch seine Anlagen und entwickelt Fähigkeiten, die er als Persönlichkeitskompetenz unverlierbar in sein Leben mitnimmt.
Die Übergänge fordern besondere Beachtung
Im Übergang von einer Entwicklungsstufe zur nächsten befindet sich das Kind in einer deutlich labileren Lebenssituation. Kann es die neu zu erringenden Fähigkeiten ergreifen, verleiht dies dem Kind ein neues Selbstbewusstsein, welches ihm die Kraft gibt, schädigende Einflüsse abzuweisen oder zu verarbeiten. Nicht erreichte Entwicklungsziele, auf dem Gebiet der Sinnesschulung, des Weltinteresses, aber auch der Verantwortungsbereitschaft und der Initiative, sind Entwicklungshemmnisse und zugleich Einfallstore für ungünstige Einflüsse.
Es treten heute in einem erschreckenden Masse Konsumabhängigkeit und Abhängigkeit von Unterhaltungsmedien an die Stelle von Weltinteresse und Initiative; kann ein Jugendlicher nicht zum Tragen von Verantwortung geführt werden, wird er auch keine Selbständigkeit entwickeln können. Die Übergangszeiten müssen besonders aufmerksam begleitet werden.
Elternhaus
1. Stufe
früheste Kindheit
Das Kind ist in seiner ersten Zeit eingehüllt von liebevoller Fürsorge und von der kindlichen Empfindung der Einheit von Ich und Welt. Geregelte, ritualisierte Formen und rhythmische Abläufe ordnen das Leben und verleihen dem Kind dadurch Geborgenheit und Sicherheit. Bereits treten Kräfte hinzu, die auf die beginnende Selbständigkeit hinweisen.
Das Ergreifen des eigenen Leibes. Sorgfältige Pflege, Bekleidung und Ernährung schaffen das richtige Milieu, die richtige physische Hülle, in der das Kind gedeihen kann. Rhythmische Tagesabläufe stützen die aufbauenden Lebensprozesse.
Liebevolle Ansprache, heitere Mienen, Gesang und kleine Rituale bereiten die entsprechende seelische Hülle. Das Kind fühlt sich empfangen. Die zuverlässigen Beziehungen dieser ersten Lebenszeit sind die Grundlage von Weltvertrauen und Beziehungsfähigkeit im späteren Leben.
Aufgabe
Den eigenen Leib als Instrument heranbilden und mit ihm den Raum ergreifen; die Sprache entdecken und mit ihr erste Zusammenhänge verstehen.
Pädagogik
Ein lebendiger Lehrplan
- Stufe
Kindergarten
Im Zentrum steht die Sinnesschulung. Besondere Beachtung gilt der Pflege der unteren Sinne, die die Lebenskräfte stärken: Tastsinn, Bewegungssinn, Lebenssinn, Gleichgewichtssinn.
Rhythmische Tagesabläufe, Erzählungen und Puppenspiele, Fingerspiele, Kniereiter und Reigen und besonders das Feiern der Feste lassen das Kind spüren, dass es in seinem eigenen Leib zu Hause ist und im vertrauten sozialen Umfeld lebt.
Im kindlichen Spiel findet sich die ganze Welt im Kleinen: Häuser bauen, verkaufen, kochen, backen, waschen usw. So wächst das Kind spielend in die Welt hinein.
Was der Alltag fordert, das Anziehen, das Frühstücken, das Aufräumen usw. wird ritualisiert und so als tragfähige Gewohnheiten für die Zukunft verankert
Für die Suchtprävention ist es besonders wichtig, den Genuss zu kultivieren. Geburtstage, Jahresfeste, Feiern können das Leben zur Freude steigern. Für den Alltag aber muss neben der Freude auch der Mangel und der Schmerz als Lebenswirklichkeit akzeptiert werden. Die Befriedigung aller Bedürfnisse
zu jeder Zeit erzeugt ein falsches Lebensbild und führt zu einer verminderten Frustrationstoleranz!
Aufgabe
Die Tätigkeit aller Sinne wachrufen und ihren Zusammenhang pflegen.
Elemente des Lehrplans und ihre Wirkung:
Der Morgenkreis im Kindergarten ist ein rhythmisch-rituelles Geschehen, das Hülle und Sicherheit gibt. An den Morgenkreis schliesst jeweils das Freispiel an, das der spontanen, improvisatorischen Gestaltungsfähigkeit des Kindes Raum gibt.
- Stufe
erste und zweite Klasse
Der Lebenskreis weitet sich. Das Kind gliedert sich in eine grössere Gemeinschaft ein.
Neben dem Erlernen der Kulturtechniken geht es in erster Linie um das Differenzieren des Seelischen. Der Bilderreichtum des Erzählstoffs (Märchen, Geschichten und Legenden) vertieft die Empfindungen. Das Schöne und Gute wird bewundert, das Hässliche und Böse abgewiesen.
Das Aufschauen zu einem verehrten Menschen gibt seelische Aufrichtekraft.
Die selbstverständliche Autorität der Lehrerin oder des Lehrers ist für das einzelne Kind und die Klassengemeinschaft die beste Basis aller Bildungsprozesse.
Aufgabe
Die Empfindungswelt vertiefen und den Raum der Selbständigkeit weiten.
Elemente des Lehrplans und ihre Wirkung:
Märchen, Fabeln und Legenden
Sinnesschulung und Gemeinschaftsbildung.
- Stufe
dritte bis sechste Klasse
Die Individualität des Kindes greift tiefer ein. Das Kind schaut mit neuen Augen und wacheren Empfindungen auf die Welt.
Das Ende der frühen Kindheit wird als Verlust des Paradieses erlebt, als Ernüchterung, oft auch als Furcht. Ein neues, mutiges Verhältnis zu Menschen und Dingen muss gefunden werden. Das innere Gleichgewicht zwischen Leichte und Schwere will errungen werden. Unterstützend wirkt der Unterricht durch die Schulung von Geschicklichkeit und klarem Denken.
Aufgabe
Geschicklichkeit und klares Denken schulen.
Elemente des Lehrplans und ihre Wirkung:
Die Schilderungen des Alten Testament, der Mythologien der Völker und Sagen des klassischen Altertums regen ein Verständnis an, für das Werden der eigenen Zeit.
In den Handwerksepochen, beim Haus- und Ackerbau erkennt das Kind die Aufgaben der Welt. Der Wunsch, in ihr kräftig tätig zu werden, erwacht.
Sommerschauspiel, Zirkus und Kletterlager geben Gelegenheit zum Erleben von gemeinschaftlicher spielerischer Leistung, Zuverlässigkeit und Geschicklichkeit.
„Mar portuges“
Salziges Meer,
wie viel deines Salzes sind Tränen Portugals?
Viele versuchten dich zu überqueren,
doch nur wenige kehrten zurück.
Ist es der Mühe wert?
Alles ist der Mühe wert,
wenn die Seele nicht klein ist.
Denn wer über den Bojador hinaus will,
muss durch den Schmerz hindurch.
Gott gab dem Meer den Abgrund,
gab ihm die Wellen,
darin sich der Himmel spiegelt.
5. Stufe
Oberstufe
Von körperlichen Veränderungen und seelischen Erschütterungen begleitet, tritt die Erdenreife ein.
Aus der neuen, verletzlichen Innerlichkeit müssen Schritte in die Welt gewagt werden.
Diese Aufgabe des Jugendlichen kann das historische Ereignis in Erinnerung rufen, dass die Zeit der grossen Entdeckungen einläutete: das erste Überqueren des Bojador im Jahre 1434.
Der Bojador ist der Breitengrad, hinter dem die mittelalterliche Weltanschauung das Weltenende, den Weltenabgrund, das kochende Meer vermutete (26°,7`, südlich der kapverdischen Inseln).
Der Mut, der damals von den Seefahrern gefordert wurde, wird heute von jedem Jugendlichen erwartet. Er kommt in dem Gedicht von Fernando Pessoa „Mar portuges“ zum Ausdruck.
Unklares Denken, verschwommenes Erinnerungsvermögen, mangelnder Zeitbegriff und allgemeine Interessenlosigkeit können in dieser Zeit auftreten.
Phänomene wie übermässiger Medienkonsum, ungezügelte Essgewohnheiten, Gewöhnung an den Genuss von Suchtmitteln können oftmals Folgen eines spärlich entwickelten Weltinteresses sein.
Solche Fehlentwicklungen können vermieden oder mindestens begrenzt werden durch eine Freizeitgestaltung, bei der die körperlichen und die seelischen Kräfte wirklich gebraucht werden: Sport im Verein, Bergsteigen, Babysitten, Jugendarbeit, Mitarbeit im Naturschutz, Zirkus. Theaterspielen, Musizieren, begeisternde Unternehmungen in Schule und Freizeit. Beschäftigungen, durch welche die Selbständigkeit, die Eigenverantwortung und die soziale Verantwortung gefördert werden. Eine liebevolle und konsequente Führung hemmt nicht, sie fördert die Selbständigkeit des jungen Menschen.
Im Unterricht ist nun wichtig die Aufklärung über Suchtgefahren während der Ernährungslehre der 7. Klasse und das Thematisieren von Aufklärungsfragen (Beziehungskunde) während der Naturkundeepochen der 7. und 8. Klasse.
Aufgabe
Forschergeist und Weltinteresse wecken
Zusammenfassung:
Die Entwicklung des Kindes zu Selbständigkeit und Verantwortungsbereitschaft kann sich nur in der Beziehung zu Erwachsenen verwirklichen.
Diese Beziehung beruht von Anfang an auf Gegenseitigkeit. Sie hat dialogischen Charakter. Gelingt es Eltern und Unterrichtenden auf jeder Stufe das angemessene Verhältnis zu den Kindern und Jugendlichen zu finden, im Gespräch den neuen Tonfall zu treffen und die notwendigen Wandlungen selbst innerlich zu vollziehen, so machen sie es den Heranwachsenden leichter, die Führung und Verantwortung Schritt für Schritt selbst in die Hand zu nehmen.
Bei allem gilt: Eine gesunde Entwicklung muss nicht krisenfrei verlaufen. Krisen gehören zu den Geburtswehen eines starken inneren Menschen. An Krisen reift die Persönlichkeit.
Mit freundlicher Erlaubnis entnommen aus
«Richtkräfte der Entwicklung
Christian Breme ©2018
Ikaros Verlag